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Sentino – La Vida Loca

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Beschreibung

Noch Anfang des Jahres, als sich Berliner Rapper im Wochenturnus verbal die Fresse polierten, überschattete eine Frage die Szene: Wer zum Teufel ist Sentence? Was ist dran an den Ghostwritervorwürfen? Kann ein derartiger Jungspund wirklich für Flers Parts auf „Carlo Coxxx Nutten“, immerhin die besten Reime seiner Karriere, verantwortlich sein?

Besseren Rückenwind als eine derartige Promo kann es für ein Debütalbum kaum geben, und so releast der Berliner mit „Sentinos Way“ gleich ein Doppelpack (Teil eins erschien im April). Um es gleich vorweg zu nehmen: Ein Statement zur Ghostwriterfrage gibt Sentino auch auf diesem Album nicht ab. Er wolle „keinen bloß stellen“, meint er dazu im Interview. Statt dessen legt er sich aber bereits im Intro richtig ins Zeug: „Denn ich hab Game, also pass mal auf, du Arsch: Die Glock macht mehr Schüsse von deinem Kopf als ein Passbildautomat/Hab Chinchillas und Schlangen an, als wär ich‘ ne Zoohandlung/Bin nur im Studio, wie die erste Mondlandung.“ Gerappt auf eine apokalyptische Arie, sieht das doch schon ganz gut aus.

In einer Zeit, in der Mixtapes noch auf Kassette zu kaufen waren, legte man noch Wert auf fließende Übergänge. Heute, da die juvenile Fanschaft sich unter einem Tapedeck in etwa so viel vorstellen kann wie Fler unter Storytelling, stehen solch grundlegenden Regeln nicht mehr im Vordergrund. Fröhlich springt man von klassischer Weltuntergangsstimmung zu völlig hektischen Synthies aus dem Hause Headrush. In der Presseinfo wird der Beat übrigens als „Geburtsstunde des Acid-Reggaetons“ glorifiziert. Was auch immer man sich darunter vorzustellen hat – so lange es so klingt, will man es gar nicht so genau wissen.

Ähnlich blumig die Beschreibung des nächsten Beats: „Irgendwo zwischen Miami und Dre’s „Crib“ landen die Stuttgarter Drama Monks einen „Pianobanger, der einem die Tränen in die Augen treibt“. Letzteres zumindest stimmt: Die Melodie von „Nutte Nutte“ ist schlicht und ergreifend vom Massive Töne-Track „Geld Oder Liebe“ geklaut, der Text ein ähnlicher Blödsinn wie der Titel schon ahnen lässt. So nicht, Junge!

Zweifelsohne hat Sentino eine Menge Talent und vom ehemaligen Mentor Kool Savas einiges mit auf den Weg bekommen, was auch an allen Ecken und Enden zu konstatieren ist. Er rappt rhythmisch völlig sauber nah am Beat, er flowt, er singt. Das passt schon alles, nur: Müssen die Texte echt so unglaublich dämlich sein? Wer braucht den millionensten Track über Oralsex, Drogenhandel und das tolle Leben als Star? Um die eigene Unfähigkeit zum sinnvollen Texten zu überspielen, werden dann halt Blumentopf und Raptile gedisst. Super! Wieso nicht auch noch Eko und Torch? Schnarch.

Nur wenige Songs brechen aus dieser grauen Masse aus. „Was Ich Mach“ mit seiner genialen Cembalolinie und einer gepitchten spanischen Hookline zum Beispiel. Oder die dick vorpreschende Labelhymne „Fünf Vor Zwölf„, deren herrlich trashiger Beat klingt, als sei er direkt aus dem Thema einer schlechten amerikanischen 70er-Detektivserie gesampelt worden. Es ist schwer vorstellbar, dass der als „Freestyle“ angekündigte Track auch wirklich einer ist: Das Zusammenspiel aus Produktion und Rap klingt zu einstudiert. Andernfalls gebührt dem jungen Mann dafür trotzdem Respekt.

Ganz großes Kino bietet „Genie„, in dem Sentino sich gegen die Vorwürfe wehrt, er klinge wie andere Rapper. Währenddessen bitet er völlig unverfroren den Style Kool Savas‘ und proklamiert, um dem noch die Krone aufzusetzen: „Gib mir meinen Flow zurück“. Entweder ist das eine ganz derbe Frechheit oder gnadenlos geniale Selbstironie, wobei letztere Variante deutlich abwegiger erscheint. Nichts desto trotz überzeugt auch dieser Track größtenteils.

Einem Musikkritiker kann der Mann wirklich Tränen in die Augen treiben: Er verfügt unanfechtbar über eine großartige Technik, Flow und auch Ideen. Lediglich die Umsetzung entbehrt jeglicher Klasse und ist deutlich zu sehr vom Berliner K-Kanon – Kiffen, Karre, Koks, Knarre, Kohle, Knallen – geprägt. Immer mal wieder lässt er Wortspiele mit einfließen, die nicht witzig sind. An sich ist es nichts Schlechtes, sich an Großmeister Savas zu orientieren – nur muss man dazu auch seinen Humor verstehen, sonst geht das ziemlich in die Hose.

Ein wenig mehr Sorgfalt bei der Beatauswahl, ein großes Stück weniger Rumgeprolle und einen Schuss Augenzwinkern und Selbstironie – nimmt Sentino sich das zu Herzen, kann er in ein, zwei Jahren den deutschen Rapmarkt kräftig aufräumen. Andernfalls wird er als nächstes ewiges Talent aus Berlin in die Rap-Annalen eingehen. Zwischen Charnell, Big Derill Mack und Rhymin Simon ist noch genügend Platz.

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